Sonntag, 29. April 2007

Das Fest der Befreiung

ist der italienische Nationalfeiertag am 25. April - an diesem Datum wurde Italien von den Faschisten befreit.

Auf dem leergefegten Uniparkplatz trudeln nach und nach die Studenten ein, von denen ich die meisten zumindest dem Sehen nach, andere sogar mit Namen kenne – alles Naturwissenschaftler. Es sind etwa dreißig Personen, die Enrico, Laura und Co für einen Ausflug in die Toskana zusammengetrommelt haben. Während der dreiviertel Stunde, in der auf verspätete Ausflügler gewartet wird, vertreibe ich mir die Zeit und quatsche ein bisschen mit Alessio, dem Paläontologen, mit dem wir in den Bergen waren. Er erzählt, dass er gerade den Film „Das Leben der anderen“ gesehen hat – nach der Synchronisation läuft dieser gerade in italienischen Kinos. Benedetta, die er davon überzeugen will, den Film anzuschauen, ist skeptisch und meint (irgendwie vergessend, dass ich gerade neben ihr stehe) „Kann was Gutes aus Deutschland kommen?!“ Ich habe den Satz erst gar nicht mitbekommen, aber ein hilfsbereiter Alessio wiederholt ihn gerne nochmal für mich, worauf ihm eine hochrote Benedetta für heute den Krieg erklärt…
Schließlich sind alle da, verteilen sich auf die Privat-PKWs und die Fahrt geht unter einer Sonne los, die einen weiteren strahlenden Sommertag verspricht.

Das Ziel des Ausflugs heißt San Galgano, einer ehemaligen Klostereinlage inmitten von sanft hügeliger Natur, benannt nach einem heilig gesprochenen Ritter. Der Ort besteht aus zwei Teilen: auf einem Hügel liegt eine relativ kleine Kirche, die sehr bald zu klein für die wachsende Klostergemeinschaft wurde, weshalb am Fuße des Hügels eine größere Abtei errichtet wurde. Letizia (eine Chemikerin, die meistens in der Mensa dabei ist) hat sich über die Geschichte von San Galgano erkundigt und gibt uns eine sachkundige Führung.

Die Legende berichtet vom Ritter Galgano, der im 12. Jahrhundert lebte. Es war die Zeit, in der die Städte um Macht und Einfluß rangen und unser Ritter stritt dabei kräftig mit, seine Rolle als Kämpfer erfüllend. Eines Nachts erschien ihm der Erzengel Michael im Traum und befahl ihm, von seinem Kriegshandwerk abzulassen. Doch ein Ritter fürchtet weder Tod noch Teufel, und was hat ein Traum schon zu bedeuten! Noch einmal erscheint ihm im Schlaf der Erzengel, führt ihn an den Hügel und sagt Galgano, er solle dort ein Kloster gründen.
Wieder zeigt sich der Ritter unbeeindruckt. Der Himmel muß also eine überzeugendere Geste ersinnen. Wieder erscheint der Erzengel Michael, doch diesmal nicht im Traum. Nein, er erscheint am hellichten Tage vor Galgano just in dem Moment, als dieser ein edles Fräulein freien will! Von Einsicht und Glauben übermannt läßt Galgano alles stehen und liegen (samt seiner armen Braut) und begibt sich sofort zu dem Hügel, der er ihm im Schlaf gezeigt wurde. Voll inneren Aufruhrs packt er sein Schwert und rammt es in den Felsen. Und das Wunder geschieht: In einer Spiegelung der Artus-Sage fährt das Schwert in den Stein, als sei er Butter – doch steckt seither fest, als sei es mit ihm verwachsen.

So ist aus dem Schwert das Symbol des Kreuzes geworden, vor dem Galgano den Rest seines Lebens im Gebet das Knie beugen wird. Wo es ein Wunder gibt, da gibt es natürlich auch Zweifler. Einer von ihnen ergriff das Heft des Schwertes, um es aus dem Fels zu ziehen – vergeblich. Stattdessen überkam ihn die Strafe für seinen Argwohn: Die Hände, mit denen er seine frevlerische Tat begangen hatte, wurden von einem Wolf abgebissen und sind heute noch als grausiges Warnung aller Ungläubigen in der Kirche zu sehen. Das runde Gotteshaus ist rings um das Schwert im Fels errichtet worden, das sich genau in der Mitte unter der rot-weiß gestreiften Marmor-Backstein-Kuppeldecke befindet. Der nächste König Artus wird es schwer haben: Das Schwert wird von einer Glashaube geschützt…

Vom Hügel hinab steigt man in wenigen Minuten zur großen Kirche, die heute ihres Daches beraubt ist aber – vielleicht gerade deshalb – ziemlich beeindruckend ist.

Von der Klosteranlage exisieren nur noch zwei Räume und ein paar Säulen des Kreuzganges. Trotz seines Sinneswandels zum Heiligen hat der ehemalige Ritter Galgano doch seine Nachfolger: Plötzlich wird das dachlose Monument erstürmt von einer Horde kleiner Italiener mit Wappen (rotes Kreuz auf schwarzem Grund) und Schwert in der Hand! Wir können gerade noch entkommen und flüchten uns auf die Wiese hinter der Kirche. Nach dem Schreck brauchen wir eine Stärkung, die von ein paar Chemikern organisiert wurde: Nudeln mit Pesto, Risotto, Torta (soll heißen Blätterteig mit Schinken und Würstchen) und – was niemals fehlen darf – Dolce!

Der Nachmittag wird dem Spielen gewidmet: Die Volleyballrunde wächst beständig, bis Enrico die Zeit für etwas anderes ankündigt: Bulldozer. Das ist ein Spiel, das genauso rabiat klingt, wie es ist. Wir haben früher in der Grundschule manchmal „Wer hat Angst vor’m schwarzen Mann“ gespielt, bei dem der „schwarze Mann“ so viele Leute wie möglich abklatschen muss, die versuchen, ans andere Ende des Spielfeldes zu kommen. Wer abgeklatscht wird, wechselt in die Gruppe des „schwarzen Mannes“. Bulldozer funktioniert eigentlich genau so – mit dem Unterschied, dass die Leute nicht abgeklatscht, sondern vom Boden hochgehoben werden müssen…

Friedlicher geht es mit Liedersingen weiter (wir haben eine Gitarre dabei), womit der erfüllte Tag dann auch ausklingt.

6 Kommentare:

pikarl hat gesagt…

wow toll! Bilder!!!

Hannah hat gesagt…
Dieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.
Hannah hat gesagt…

Was ist denn Dolce? Einfach Suess? Also, irgendein Nachtisch?

Christine hat gesagt…

Also, eigentlich hat Dolce einige Bedeutungen. Aber hauptsächlich, wie du richtig vermutest, heißt es Süß. Damit können Kuchen, Kekse, Schokolade, Tiramisu, Pudding... eben einfach alles, was in irgendeiner Weise süß ist, gemeint sein. Man kann es also auch mit Nachtisch übersetzen.
Allerdings kann es dir auch passieren, wenn du an der Theke einen Schinken kaufen willst (den tollen rohen ;-) ), dass dich der Metzger fragt, ob du ihn "dolce" willst - das heißt dann aber nicht, dass da Zucker drin ist, sondern dass er nicht so herb ist.

Christine hat gesagt…

Ach ja, an diesem Tag war das Dolce zweierlei Kuchen...

scholli hat gesagt…

Toll Picknick, wilde Spiel, Gitarre und Lieder...
Klingt wie beim BDP :-)
Sei mal froh, dass ihr nicht Rübenziehen gespielt habt...