Mittwoch, 23. Mai 2007

Spello

Spello ist vielleicht eines der liebenswuerdigsten Staedtchen hier in Umbrien. Nicht weit von Assisi thront es auf einem Huegel ueber dem Tibertal, bis heute umgeben von einer schuetzenden Stadtmauer. Doch die alten roemischen Tore verwehren heute niemandem mehr den Eingang und nach dem Durchschreiten der Porta Consolare nehmen einen die vielen verwinkelten Gaesschen freundlich auf. Die alten steinernen Haeuser sind herausgeputzt und das Schoenste: alles ist voller Blumen! In allen Farben und Groessen stehen sie vor Eingaengen, saeumen Treppen, schmuecken Hauswaende. Die Gassen fuehren bergauf, bis dorthin, von wo man bei klarer Sicht bis nach Perugia sehen kann. Wir sind in Italien, und so liegen auf dem Weg dorthin eine ganze handvoll Kirchen, die so manchen Kunstschatz in ihrem inneren verbergen...

Ich bin mit der "Expertin" unterwegs: Kriszti, die leider morgen aus Perugia abreist und ihren letzten Tag aber noch fuer diesen Ausflug mit mir nutzt. Sie erklaert mir die Symbolik in den Gemaelden Pinturicchios und ich stelle fest, dass ich die schon so oft gesehenen Szenen danach mit anderen Augen anschaue. Einige Meter weiter steht neben einer weiteren Kirche ein Tor offen und neugierig, wie wir sind, trauen wir uns hinein. Der Gang fuehrt zu einem Seiteneingang der Kirche, in der bereits ein alter Moench in schwarzer Kutte, umgeben von ein paar Touristen, mit einer grossen Lampe in der Hand die duesteren Fresken aufhellt. Diesmal uebernimmt er die Erlaeuterung des Dargestellten, doch in einem schnellen Slang, den wir nur teilweise verstehen koennen...

Den naechsten Kontakt mit Einheinmischen bekommen wir in einer Gasse, wo wir den ueberwaeltigenden Duft einer weiss bluehenden Busches bewundern - ein aelterer Italiener erzaehlt uns von seinen Reiseplaenen, erst nach Paris, dann nach Spanien, denn in Paris habe er vierzig Jahre gearbeitet - da, schaut her, ich habe an meinem Auto sogar noch ein franzoesisches Nummernschild! Ja, und in Stuttgart war er auch schon oft und in Essen lebt ein Verwandter. Aber jetzt geht es nach Paris, da ist seine Tochter. Wenn ihr da runter geht, kommt ein roemisches Tor - ach, und habt ihr schon die Fresken gesehen? Na dann noch einen schoenen Tag...

Ein Eis rundet diesen schoenen Sommertag ab, und gluecklich machen wir uns auf den Heimweg nach Perugia.

Montag, 7. Mai 2007

Fiera Antiquaria

Gestern war ich schon wieder in Arezzo, um den beworbenen Antiquitätenmarkt zu besuchen, der am ersten Wochenende jeden Monats stattfindet. Laut den Prospekten der Stadt sind es 500 Stände, die über das ganze historische Zentrum verteilt sind. Arezzo ist der Markt an diesem Tag... Während in der Nähe des Bahnhofs noch gewöhnliche Flohmarktgegenstände vorherrschen, ist das Herz der Stadt bestimmt von wahren Antiquitätenansammlungen... Aber lassen wir die Bilder sprechen!









Mittwoch, 2. Mai 2007

1. Mai

Nachdem ich für heute, dem Tag der Arbeit, eigentlich überhaupt nichts geplant hatte, stand ich heute morgens in der Erwartung eines ereignislosen, ruhigen Tages auf. Das Mittagessen verbringe ich noch im Park, aber eine dunkle Wolke droht, außerdem bläst ein kalter Wind. Also verschiebe ich mein Schreibevorhaben in ein Café. Auf dem Corso Vanucci herrscht einmal wieder das pralle Leben, die vielen Tische in der Mitte unter Sonnenschirmen sind gut besetzt, die Luft ist von Akkordeonmusik erfüllt. Da kann ich nicht wiederstehen: Ich setze mich mitten in das Treiben und schreibe ein wenig an meinem Brief. Leider macht die Wolke bald ihre Drohung wahr – es beginnt zu regnen. Doch ich habe ein Schild entdeckt, dass für die in diesen Tagen stattfindende Käsepräsentation in der Rocca Paolina wirbt.

Für alle, die noch nicht in Perugia waren: Die Rocca Paolina ist die ehemalige Festung der Stadt, die jedoch einem Palast weichen musste. Erhalten blieben die ausladenden Gewölbe, durch die ein Tourist, der heute nach Perugia kommt und sein Auto auf dem Hauptparkplatz abstellt, die Stadt betritt. Rolltreppen erleichtern den Aufstieg – doch neben dem Hauptgang zur Stadt gibt es noch Nebenräume, durch Gänge miteinander verbunden.

In dieser beeindruckenden Kulisse hatten nun Landwirte aus der Umgebung ihre Kostbarkeiten auf Tischen ausgebreitet – neben dem dominierenden Käse auch noch Salami aller Art, Marmelade, Honig, Wein, Trüffel, Pasta, und Dolce.

Schon beim Betreten des Gewölbes mischt sich in den ansonsten vorherrschenden Geruch nach Rolltreppenmechanik das herbe Aroma des Pecorina, der in allen Reifestadien und mit alen erdenkbaren Zusätzen angeboten wird. Ich streife an den Ständen vorbei, bekomme hier einen Löffel Haselnuss-Honig-Creme, dort ein Stückchen Brot mit Trüffelsalami gereicht…

Schon seit einiger Zeit sind mir die Plakate für eine Ausstellung alter Fotos von Perugia ins Auge gefallen. Heute ist eine gute Gelegenheit, dort einmal hinzugehen. Der Palast, in der sie stattfindet, ist ganz in der Nöhe der Rocca Paolina. Es ist spannend zu sehen, wie sich manches verändert hat (vor allem, durch die Bebauung damals noch landwirtschaftlich genutzter Flächen – die Bilder sind aus der Zeit der Jahrhundertwende) - aber doch im Gegensatz zu so vielen deutschen Städten, viele Dinge heute noch genauso aussehen – mit Ausnahme der Kleidung der Menschen! Außerdem merke ich, dass ich mich inzwischen doch recht gut hier auskenne – ich erkenne eigentlich jeden Ort wieder.

Auf dem Heimweg mache ich Rast auf der – wie immer vollen – Treppe der Kathedrale am Hauptplatz. Vor mir ist eine Bühne aufgebaut, wo erste Tonproben gemacht werden – offenbar soll hier heute noch ein Konzert stattfinden. Ich bemerke eine Gruppe junger Leute auf der Treppe, die ziemlich international zu sein scheinen: Ein Schwarzer unterhält sich angeregt mit einer Asiatin und einer (allem Anschein nach) Deutschen. Aber die Gruppe ist noch viel größer, und es werden immer wieder Neuankömmlinge begrüßt. Ich bin mir beinahe hundertprozentig sicher, dass das Erasmus-Studenten sein müssen. Also fasse ich mir ein Herz und mache etwas für mich sehr untypisches: Ich spreche sie an. Die eine ist wirklich Deutsche, die anderen ein wildes Gemisch aus Algeriern, einer Griechin, einer Ungarin, einer Indonesierin, und noch anderen. Sie sind so, wie ich mir „typische“ Erasmus-Studenten vorstelle. Schwer, das richtig zu beschreiben, was ich damit meine. Vielleicht so: Eine für mich oberflächlich scheinende extensive Demonstration der gegenseitigen Freundschaft? Wie auch immer, die Deutsche versichert mir, dass sie später auch noch da sein werden und ich bin auf jeden Fall neugierig, was für ein Konzert es dort geben wird. Also mache ich mich nach einer kurzen Erholungspause und Abendessen daheim wieder auf den Weg. Es spielt eine Band, die leicht volkstümliche, italienische Popmusik macht, mit Gitarre, Schlagzeug, Akkordeon und Sänger. Nichts, was ich mir daheim anhören würde, aber eine Musik, die einen irgendwie animiert, herumzuhüpfen und zu tanzen – was auch eine Menge Leute vor der Bühne tun. Dort stoße ich wieder auf die mittlerweile noch größer gewordene Erasmus-Gruppe. Es wird sehr lustig, ich lasse einfach ganz los und hüpfe und tanze mit den anderen, die ich seit einer Stunde kenne herum und habe Spaß! Das ist auch wieder das schöne daran – ich gehöre einfach dazu, ohne weitere Umstände und ab und zu tausche ich mit jemandem Namen, Nationalität und Studienfach aus…

Bis mir irgendwann die Füße zu sehr weh tun und ich dann doch beschließe, dass die inzwischen gewechselte Band nicht wirklich mein Geschmack ist. Die Leute wiederzutreffen ist kein Problem: Sie meinen, dass sie so ziemlich jeden Abend auf der Treppe sind. Ich weiß nicht, inwiefern ich diese Kontakte weiter ausbauen werde, denn es scheinen schon eher Partymenschen zu sein, mit denen ich prinzipiell weniger anfangen kann. Aber für den Abend hat es sich auf jeden Fall gelohnt, und falls ich einmal einsam bin oder nicht weiß, was tun – zum Brunnen und der Treppe ist’s nicht weit…

Judit und Kriszti

Zwei Wochen ist es her, als sich mein Bekanntenkreis hier in Perugia unverhofft um zwei Nicht-Italienerinnen erweitert hat. Es gibt hier eine Organisation, die sich „eGeneration“ nennt und sich derer annimmt, die neu in der Stadt sind. Dass sie neben ihrer Internetseite auch ein Büro besitzen, in dem man sich in einen E-mail-Verteiler eintragen kann, über den dann Informationen zu Veranstaltungen verschickt werden, habe ich erst vor kurzem herausgefunden (mit tatkräftiger Unterstützung des Internet-Karle *g*).

Als ich dann dorthin ging, traf ich im Büro auf zwei andere Erasmus-Studentinnen, die gerade vom netten Italiener erklärt bekamen, wo man in Perugia die beste Pizza essen kann. Die beiden, Judit und Kriszti, kommen aus Ungarn, genauer: aus Budapest. Nach dem Bürobesuch verbrachten wir noch ein Weilchen im Park und stellten dabei fest, dass wir uns ganz gut verstehen. Wohlgemerkt unterhalten wir uns auf Italienisch miteinander! Die beiden sprechen ziemlich gut: Kriszti hat seit vier Jahren einen italienischen Freund, Judit nach ihrem Abitur ein Jahr in Neapel verbracht. Ich kann von ihnen also noch was lernen… Beide studieren Kunstgeschichte und man merkt ihnen an, dass ihre Begeisterung für Kunst über das bloße Studium hinausgeht! In Budapest machen sie auch Führungen im Museum.

Für mich ist diese neue Bekanntschaft ein ziemliches Glück, denn jetzt habe ich endlich Freunde hier, bei denen die Wellenlänge stimmt und mit denen ich auch mal öfters etwas außerhalb der Universität unternehmen kann! So bin ich am Donnerstag in den Genuß der ungarischen Küche gekommen (die NICHT, wie Karl mich gewarnt hatte, zu scharf war), wir waren beim Pizzaessen und schließlich am Freitag in Arezzo.

Ich wollte vor allem dorthin, weil ich diese Stadt noch nie gesehen aber schon mehrmals gehört habe, wie schön sie sei. Judit und Kriszti hatten noch eine größere Motivation: In der Stadt ist im Moment eine Ausstellung über Piero della Francesca, von dem sich außerdem berühmte Fresken (Die Legende vom Heiligen Kreuz) in einer Kirche befinden. Es ist schon etwas anderes, wenn man mit zwei kunsthistorisch gebildeten und vor allem begeisterten Leuten so eine Ausstellung besucht, die einem zu vielen Bildern interessante Details erzählen können, die mir alleine niemals aufgefallen wären!

Auch die Stadt Arezzo hat mir ziemlich gefallen, schöne Geschäftchen in den Gassen, ein großer Platz der mir von „Das Leben ist schön“ wage bekannt war (der Film wurde zu großen Teilen in Arezzo gedreht), ein Park mitten in der Altstadt...

Jetzt muss ich doch noch kurz etwas anmerken, denn darauf bin ich schon irgendwie stolz: Ich merke, dass ich durch Judit und Kriszti mehr italienisch spreche und so habe ich am Donnerstag zum ersten Mal auf Italienisch geträumt!!! (der Karl hat mir außerdem bestätigt, dass ich schon viel mehr mit den Händen herumfuchtele - also langsam werde ich wirklich zum Italiener...)