Dienstag, 12. Juni 2007

Die letzte "Phase"

Ja, ich weiß. Eigentlich sitze ich ja hier zum Lernen. Aber heute will das einfach nicht funktionieren. Vielleicht liegt es ja daran, dass der Lernraum jetzt, wo alle Vorlesungen vorbei sind und die Prüfungszeit angebrochen ist, zum Bersten voll ist. Laut sprechen darf man hier zwar nicht, aber ein ständiges Gemurmel, immer wieder an- und abschwellend, herrscht dennoch und lässt meine Aufmerksamkeit bereitwillig von den Seiten mit kryptischen Formeln und Zeichen aufflattern, meinen Blick ruhelos durch den Raum schweifen, um sich dann mit großer Anstrengung doch wieder auf die gerade schon dreimal gelesene Formel zu heften. Aber die Geräusche sind bestimmt nicht alles, normalerweise lasse ich mich doch nicht so leicht ablenken. Vielleicht ist es eine gewisse Unsicherheit, wie ich mich am besten auf diese Prüfung vorbereiten kann, in der ich, wie mir von meinen Freunden gesagt wurde, auch die einzelnen Rechnungen können muss – mit irgend etwas muss man ja die anderthalb Stunden mündliche Befragung füllen… Vielleicht ist mein Hirn aber auch einfach nur noch erschlafft von gestern, wo ich doch tatsächlich über fünf Stunden in der Uni gelernt habe – wo ich ziemlich stolz darauf bin, denn sehr viel mehr habe ich auch in meinem Lern-Marathon vor dem Mathe-Vordiplom nicht geschafft.

Insofern habe ich also auch kein zu ausgeprägtes schlechtes Gewissen, die Arbeit heute ein wenig ruhen zu lassen und mich stattdessen um meinen verwaisten Blog zu kümmern. Der Laptop ist eigentlich nur hier, um in einer PDF zusätzlich zu meinen Aufschrieben zu lesen… Doch nachdem ich die Quantenelektrodynamik für heute endgültig aufgegeben habe, nehme ich die Möglichkeit wahr, hier sitzenbleiben zu können und das Schweifen meiner Gedanken festzuhalten und ihnen Substanz zu verleihen. Am Freitag ist meine Familie mit Karl wieder abgefahren, nach zwei wunderschönen Wochen Urlaub am Trasimener See ganz in der Nähe Perugias, die nur durch das verregnete Wetter getrübt wurden. (Ironischerweise hat es jetzt seit Freitag nicht mehr geregnet und die Sonne brennt wieder mit ihrer ganzen Kraft…)

Schon seltsam, nur wenige Kilometer von Perugia entfernt in einer vollkommen anderen Welt zu sein, mit den ganzen vertrauten Gesichtern im Urlaub und dem Gefühl, dieses italienische Leben sei nur ein Traum gewesen. Vielleicht noch seltsamer ist es, nach ihrer Abfahrt auf einmal wieder in dieses andere Leben zurückzukehren, wieder alleine und nicht zu neunt zu frühstücken, seinen Alltag wieder ganz alleine einzuteilen und zu bestimmen… Dabei ist der Alltag nicht mehr so, wie vor dem Urlaub: inzwischen haben die Vorlesungen aufgehört und ich muss mich auf die beiden Prüfungen, die ich mich entschieden habe abzulegen, vorbereiten. Und wie die Prüfungen, so naht auch das Ende meines Aufenthaltes hier: Vier Wochen sind es noch, dann kehre ich dem Süden den Rücken zu und nach Tübingen zurück. Es ist seltsam, daran zu denken. Einerseits bin ich voller Vorfreude, endlich wieder bei Karl sein zu können, ohne gleich wieder Abschied nehmen zu müssen, ich träume schon davon, über den Tübinger Markt zu schlendern und der Morgenstelle einen Besuch abzustatten. Andererseits ist es auch schade, hier wegzugehen und die neuen Freunde und eine liebgewonnene Stadt, die doch auf eine ganz eigene Art zu einer Heimat geworden ist, zu verlassen. Mit diesem Bedauern vermischt sich das dumpfe Gefühl, die Zeit hier vielleicht nicht so gut genutzt zu haben, wie ich es hätte können, die Befürchtung, Chancen verpasst zu haben – doch es ist müßig, über so etwas nachzugrübeln, denn ändern lässt sich ja sowieso nichts mehr. Und neben allem „hätte“ und „könnte“ – auch wenn manches wohl hätte anders und vielleicht auch besser laufen können – da sind so viele kleine, schöne und wertvolle Erinnerungen, die Freunde, die mir auch nachher bleiben werden (ob in Italien oder Ungarn) und ich bin einfach nur dankbar, dass ich diese Erfahrungen machen konnte! Auf jeden Fall will ich die verbleibende Zeit hier trotz des Lernens noch so gut wie möglich nutzen!

2 Kommentare:

Hannah hat gesagt…

Hmm das klingt auch voll ähnlich wie ich mich fühl... ich glaube das beste ist in so einem Fall das Leben zu nehmen wie es kommt, denn wie du sagst, ist es müßig darüber nachzudenken wie es anders sein könnte...

Anonym hat gesagt…

Hallo Christine
aus dem gleichen Grund aus dem du den blog aktualisiert hattest hab ich jetzt mal wieder deinen gelesen. Sollte eigentlich QM lerenen aber das will iergendwie nicht so recht...


dem datum nach müsstest du ja bald wieder da sein oder bist du es etwa schon und ich weis noch gar nichts davon?

Gruß Hannes